Name
Marius Kleprat und weitere 32 Nachfragende
Frage
Liebes Atemschutzlexikon
Bei uns herrscht die Meinung einiger Ausbilder vor, dass zwar ein Verbot zum Tragen von Vollbart besteht, dass das aber bei Übungen nicht gilt. Es bestehe ja keine Gefahr. Ist das richtig?
Mit kameradschaftlichem Gruß – Marius Kleprat
Antwort
Hallo Marius Kleprat,
Vielen Dank für Ihre vertrauensvolle Anfrage an www.atemschutzlexikon.de (ASL). Um es gleich am Anfang zu betonen – gern helfen wir Ihnen bei der Durchsetzung der Sicherheit und Gesundheit Ihrer Kameradinnen und Kameraden Atemschutzgeräteträger.
Es ist gefährlich als Atemschutzgeräteträger der Feuerwehr Bart oder Koteletten im Bereich der Dichtlinie von Atemanschlüssen zu tragen, wenn unter Atemschutz in den Gefahrenbereich vorgegangen wird.
Beispiele realer Unfälle im Atemschutzeinsatz beweisen das durch tragische, leider auch sogar schon tödliche Unfälle. Die Forderung nach dichter Atemschutzausrüstung ist abstrichslos durch zu setzen. Dafür sind 2 Aufgaben zu erfüllen:
- Dichtheit des Atemschutzgerätes einschließlich Atemanschluss
- Dichtheit der Verbindung Atemanschluss – Atemschutzgeräteträger.
- Die Dichtheit des Atemschutzgerätes einschließlich Atemanschluss sichern die Hersteller der Ausrüstung und die Atemschutzgerätewarte in den örtlichen Atemschutzwerkstätten ab.
- Die Dichtheit der Verbindung Atemanschluss – Atemschutzgeräteträger muss der Atemschutzgeräteträger garantieren. Dafür lernt er während seiner Ausbildung die erforderlichen Handhabungen, z. B. die Handballendichtkontrolle an der aufgesetzten Vollmaske.
- Unterstrichen wir die Notwendigkeit glatter Gesichtshaut zwischen Dichtkonturen Atemanschluss und Gesicht Atemschutzgeräteträger in den gesetzlichen Grundlagen, durch Ergebnisse praktischer Untersuchungen und psychologische Einflüsse.
Rechtslage
FwDV 7 „Atemschutz“, Pkt. 3: … „Einsatzkräfte mit Bart oder Koteletten im Bereich der Dichtlinie von Atemanschlüssen sind für das Tragen von Atemschutzgeräte ungeeignet.“
DGUV R 112-190 „Benutzung von Atemschutzgeräten“, Pkt. 3.1.5.3: … „Personen mit Bärten oder Koteletten im Bereich der Dichtlinien von Voll- und Halbmasken und filtrierenden Atemanschlüssen sind für das Tragen dieser Atemanschlüsse ungeeignet.“ …
DIN EN 13274 „Atemschutzgeräte – Prüfverfahren – Teil 2: Praktische Leistungsprüfungen“, Teil 1: Bestimmung der nach innen gerichteten Leckage und der gesamten nach innen gerichteten Leckage –> W. Gabler: Diese Prüfungsnorm schreibt glatte Oberflächen zwischen Prüfkopf und zu prüfender Vollmaske als Prüfkriterium für die Zertifizierung fest. Wer also Bart oder Koteletten zwischen Dichtkonturen Vollmaske und Gesichtshaut trägt, verstößt gegen die Zertifizierung. Damit, mit dem Eintritt dieser nicht geprüften Situation, zählt der Atemanschluss als Zulassungswidrig benutzt. Es kann die die Zulassung des Atemanschlusses erlöschen.
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung BetrSichV)
§ 5 (6) Der Arbeitgeber hat die Belange des Arbeitsschutzes in Bezug auf die
Verwendung von Arbeitsmitteln angemessen in seine betriebliche Or-
ganisation einzubinden und hierfür die erforderlichen personellen,
finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Ins-
besondere hat er dafür zu sorgen, dass bei der ... Auswahl und
beim Zur-Verfügung-Stellen der Arbeitsmittel alle mit der Sicherheit
und Gesundheit der Beschäftigten zusammenhängenden Faktoren,
einschließlich der psychischen, ausreichend berücksichtigt wer-
den.
§ 6 (1) Der Arbeitgeber hat darauf zu achten, dass die Beschäftigten in der
Lage sind, die Arbeitsmittel zu verwenden, ohne sich oder andere
Personen zu gefährden.
Gebrauchsanweisungen der Hersteller der Vollmasken, z. B. „ … Die Dichtlinie zwischen Kopf und Atemanschluss muss frei von Haaren und Fremdkörpern sein, da diese Leckagen verursachen können. Brillenträger sollten eine Maskenbrille verwenden.“.
Betrachtung der Ergebnisse praktischer Untersuchungen
Die Dichtlippen der Atemanschlüsse, z. B. Vollmasken, liegen bei Trägern von Vollbart und langen Koteletten auf den Haaren von Bart und Koteletten auf und können den Atemanschluss nicht abdichten. Es ist in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen wurden, das Luftaerosole deshalb in erheblichen Mengen in die Vollmasken von Träger mit Vollbart eindringen können. Dazu analysierte L. Brauer in seinem Sammelwerk „Handbuch Atemschutz“, Abschnitt IV (Ecomed Verlag) viele Versuchsergebnisse, z. B.
Mehrere quantitative Dichtprüfungen mittels DOP-Aerosoltest durch unabhängige Prüfstellen mit Bart tragenden Atemschutzgeräteträgern belegen das Entstehen von Leckagen durch Gesichtshaar. Je stärker der Durchmesser des Haares, desto größere Leckagen entstanden.
Bei weiteren Versuchen mit über 100 Probanden der U.S. Navy und europäischen Feuerwehren wurde festgestellt, dass Vollbart tragende Atemschutzgeräteträger
beim Atmen unter Pressluftatmern mit Normaldruck Umgebungsluft mit einatmen, sobald während des Einatmens in der Vollmaske Unterdruck entsteht. Die Vollmasken dichteten also zwischen Haut mit Bartwuchs und Dichtlippen der Vollmasken nicht ab. Es hätte mit Atemgiften versetzte Luft eingeatmet werden können.
beim Atmen unter Pressluftatmern mit Überdruck Atemluft aus der Vollmaske abströmte. Oft sogar in solchen Mengen, das deutlich Abströmgeräusche hörbar wurden und die Atemschutzgeräteträger eine deutlich unangenehme Unterkühlung der Haut verspürten. Umgebungsluft wurde durch den Bart angesaugt, infolge von Turbolenzen im äußeren Bereich der Dichtlippen der Überdruckvollmasken. Die Turbolenzen entstanden beim Abströmen der Ausatemluft durch den Bart.
Der Dichtigkeit der Vollmasken von Atemschutzgeräten mit Vollbart nahm in bedrohlicher Menge vor allem bei Bewegungen des Kopfes und steigender Veratmungsraten ab.
Die Leckage von Vollmasken ergibt sich unabhängig vom Masken- und vom Drucktyp aus Durchmesser Barthaar, Länge Barthaar, Härte Barthaar, Intensität der Kopfbewegung und Atemminutenvolumen.
Barthaare wurden bei Übungen auch im Ausatemventil zwischen Ventilscheibe und Kraterrand Ventilscheibensitz gefunden. Dadurch konnte das Ausatemventil nicht vollständig schließen.
Selbst wenn die Mengen an eingeatmeten Atemgiften gering sein können, deren Wahnehmungsgrenzen beim betroffenen Atemschutzgeräteträger vielleicht noch nicht erreicht sind, sammeln sich viele gefährliche Atemgifte mit langjährigen Halbwertzeiten im Körper. Dazu zählen z. B. Benzole und andere Kohlenwasserstoffe. Sie sind wegen ihrer konstanten giftigen und krebserregenden Wirkung dann besonders gefährlich.
Weltweit ist das Problem bekannt, seit den 1980-iger Jahren erforscht und geregelt, so dass beim Tragen von Atemschutzgeräten die Dichtlinie zwischen Kopf und Atemanschluss frei von Haaren und Fremdkörpern ist.
Psychologische Einflüsse
Zur Gesamtbetrachtung ist auch die Psychologie heranzuziehen, z. B. die des Lernens und der Automatisierung von gelernten Ausbildungs- und Übungsinhalten. Wenn der Atemschutzgeräteträger Vollbart oder langen Koteletten tragend üben darf, prägt sich dies als Möglichkeit, als reale Variante der Trageweise, unbewusst ein. Das geschieht unabhängig vom bewussten Denken, quasi automatisch. Wenn er dann im Einsatz, in der Regel unter Stress, zum Einsatz vorgehen will, ist es möglich, dass er unbewusst als Bartträger unter Atemschutz in den Gefahrenbereich vorgeht. Er ist sich der Gefahr ggf. nicht bewusst – „Bei den Übungen habe ich es ja auch nicht anders gemacht“.
Schlussfolgerungen
Die Rechtsgrundlagen unterscheiden bei ihren Festlegungen des Verbotes des Tragens von Bart oder Koteletten im Bereich der Dichtlinie von Atemanschlüssen bewusst nicht zwischen dem Tragen bei Einsatz- oder Übungstätigkeit. Der Träger von Atemschutzgeräten darf demnach keine Haare zwischen Dichtkonturen Atemanschluss und Gesichtshaut besitzen, gleich ob er Übungs- oder Einsatztätigkeit durchführt. Sonst ist die Maskendichtheit gefährdet.
Damit das Tragen von Atemschutz für Bartträger oder Träger langer Koteletten nicht zur kritiklosen Gewohnheit wird, gilt das Trageverbot von Atemschutz für diese Gruppe auch für die Übungstätigkeit.
Diese Grundsätze müssen Bestandteil der Übungsanleitungen und Gefährdungsbeurteilungen von Atemschutzübungsanlagen sein. Ein Beispiel dafür lässt sich nachlesen unter www.atemschutzlexikon.de; ).